Sicher absichern: Kabelquerschnitt & Sicherungen verständlich erklärt
„Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied.“
Im Stromkreis ist dieses Glied häufig das Kabel – und wenn Sicherung und Kabelquerschnitt nicht zueinander passen, kann das gefährlich werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung: Wenn’s heiß wird
In einer kleinen Werkstatt wollte ein Funkfreund sein neues Netzgerät anschließen. Er griff zum nächstbesten Kabel – 1 mm² Querschnitt für 10 Ampère. „Wird schon gehen“, sagte er. Nach fünf Minuten roch es verbrannt, die Isolierung war weich, und kurz darauf flog die Sicherung.
Solche Situationen entstehen schneller, als man denkt. Ein zu kleiner Kabelquerschnitt oder eine falsch gewählte Sicherung führen nicht nur zu Leistungsverlusten, sondern im schlimmsten Fall zu Bränden.
Dieser Artikel erklärt verständlich und praxisnah, wie du den richtigen Kabelquerschnitt berechnest, welche Normtabellen du verwenden solltest und wie du die passende Sicherung auswählst – damit deine Installation sicher bleibt, egal ob im Shack, Auto oder Eigenheim.
2. Grundlagen verstehen: Strom, Spannung, Widerstand & Spannungsabfall
Bevor es an Formeln geht, kurz die Basis – denn sie entscheidet über Sicherheit und Funktion.
- Stromstärke (I) – gemessen in Ampere (A): Wie viel Strom fließt durch die Leitung.
- Spannung (U) – gemessen in Volt (V): Der „Druck“, der den Strom antreibt.
- Widerstand (R) – gemessen in Ohm (Ω): Der elektrische „Gegner“ des Stromflusses.
Das bekannte Ohmsche Gesetz lautet:
[
U = I \cdot R
]
Je länger und dünner eine Leitung, desto größer ihr Widerstand – und desto mehr Spannung geht verloren.
Dieser Spannungsabfall (ΔU) sorgt dafür, dass am Verbraucher weniger Energie ankommt.
In der Praxis gilt:
- Haushalt / 230 V AC: max. 3 % Spannungsabfall (DIN VDE 0100-520)
- Niederspannung / 12–24 V DC (z. B. Funkbetrieb): oft ≤ 1 % empfohlen
Ein Beispiel: 12 V-Anlagen sind besonders empfindlich. Schon 0,3 V Spannungsabfall können Geräte stören oder abschalten lassen.
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3. Querschnittsberechnung: Formeln & Praxis
3.1 Die vereinfachte Grundformel
Zur Abschätzung des nötigen Leitungsquerschnitts dient:
[
A = \frac{2 \cdot \ell \cdot I \cdot \cos\varphi}{\rho \cdot \Delta U}
]
Parameter:
| Symbol | Bedeutung | Typischer Wert |
|---|---|---|
| ( \ell ) | Leitungslänge (Hin- und Rückweg!) | in m |
| ( I ) | Stromstärke | in A |
| ( \cos\varphi ) | Leistungsfaktor | 0,9 – 1 |
| ( \rho ) | spezifischer Widerstand Kupfer | 0,0178 Ω·mm²/m |
| ( \Delta U ) | zulässiger Spannungsabfall | z. B. 3 % |
Beispiel (12 V DC, 10 A, 10 m Leitung, 3 % Spannungsabfall):
Ergebnis ≈ 4,94 mm² → aufgerundet 6 mm².
3.2 Warum Tabellen unverzichtbar sind
In der Praxis genügt die Formel nicht.
Die DIN VDE 0298-4 definiert Strombelastbarkeiten in Abhängigkeit von:
- Verlegeart (z. B. frei in Luft, im Rohr, in Erde)
- Umgebungstemperatur
- Anzahl belasteter Adern (Häufung)
- Material (Kupfer, Aluminium)
Der Nennstrom des Kabels ( I_Z ) ergibt sich durch:
[
I_Z = I_r \cdot f
]
mit ( f ) als Korrekturfaktor (z. B. 0,75 bei mehreren belasteten Leitern).
Quellen: DIN VDE 0298-4, ABB „Electrical Installation Guide“ (2023), LAPP Kabelrechner.
4. Normen, Tabellen & Belastbarkeit
4.1 Relevante Normen
- DIN VDE 0100-520 – Leitungsdimensionierung und Spannungsabfall
- DIN VDE 0298-4 – Strombelastbarkeit von Kabeln und Leitungen
- DIN VDE 0276-603 – Kabelverlegung in Luft und Erde
- IEC 60364 – internationale Norm zur Elektroinstallation
4.2 Richtwerte für Kupferleitungen (230 V AC, Umgebung 25 °C)
| Kabelquerschnitt | Max. Belastbarkeit* | Typische Sicherung | Bemerkung |
|---|---|---|---|
| 1,5 mm² | 16–18 A | 10–16 A | Wohnräume, Lichtstrom |
| 2,5 mm² | 21–26 A | 16–20 A | Steckdosen, Werkstatt |
| 4 mm² | 28–34 A | 25–32 A | E-Herd, Ladepunkt |
| 6 mm² | 36–43 A | 32–40 A | Unterverteilungen |
| 10 mm² | 50–60 A | 40–50 A | Hauptleitungen |
*Quelle: DIN VDE 0298-4, ABB 2023, Zählerschrank24.
4.3 Richtwerte für Kupferleitungen (DC, Umgebung 25 °C)
Annahmen: PVC-Isolation 70 °C, Verlegung „in Luft/auf Putz“, 2 belastete Adern, keine Häufung, Umgebung 25 °C. (Thermische Strombelastbarkeit gemäß VDE 0298-4; bei DC grundsätzlich identisch zur AC-Strombelastbarkeit unter denselben Randbedingungen.)
| Kabelquerschnitt | Max. Strombelastbarkeit (thermisch, DC*) | Typische Sicherung (DC)** | Bemerkung |
|---|---|---|---|
| 1,5 mm² | ≈ 16–19 A | 10–16 A | Wohn-/Lichtstromkreise; bei längeren DC-Strecken Spannungsfall prüfen |
| 2,5 mm² | ≈ 24–27 A | 16–20 A | Steckdosen/kleine Verbraucher; gute Reserve gg. Spannungsfall |
| 4 mm² | ≈ 32–36 A | 25–32 A | Ladepunkte/kleine DC-Verteilungen |
| 6 mm² | ≈ 41–46 A | 32–40 A | Unterverteilungen, längere 24/48 V-Strecken |
| 10 mm² | ≈ 57–63 A | 40–50 A | Hauptleitungen/akkunahe DC-Zweige |
Diese Werte gelten bei freier Verlegung. In Rohr, in Dämmung oder bei Häufung sind Reduktionsfaktoren einzurechnen!
Spannungsfall (DC) – Hinweis
- Grenzwerte: typisch ≤ 4 % bis zum Verbraucher (je nach Anwendung/Regelwerk 3–5 %). TRILUX+2elektriker-wissen.de+2
- Formel (Zweileiter-DC): ΔU=I⋅RHin+I⋅RRu¨ck≈2⋅I⋅ρ⋅LAΔU=I⋅RHin+I⋅RRu¨ck≈2⋅I⋅ρ⋅AL (Kupfer-Spezifischer Widerstand ρρ, Länge LL, Querschnitt AA). electricityforum.com
- Bei niedrigen DC-Spannungen (12/24/48 V) ist der Spannungsfall oft maßgebend – ggf. größere Querschnittewählen oder Leitungslängen reduzieren (siehe VDE 0100-520).
5. Auswahl der Sicherung: Typen & Regeln
5.1 Sicherungsarten
- Schmelzsicherung (Diazed, Neozed): schmilzt bei Überstrom, einmalig.
- Leitungsschutzschalter (LS): thermisch/magnetisch auslösend, rückstellbar.
- Automotive-Flachsicherungen: für KFZ- und Funkanwendungen.
- DC-Sicherungen: für Solaranlagen und Gleichstromkreise (z. B. Victron, Littelfuse).
5.2 Auslösecharakteristiken (AC)
| Typ | Auslöseverhalten | Anwendung |
|---|---|---|
| B | 3–5× Nennstrom | Licht, Steckdosen |
| C | 5–10× Nennstrom | Motoren, Trafos |
| D | 10–20× Nennstrom | Stark induktive Lasten |
Für Funkstationen oder Netzteile mit Anlaufstrom sind C-Automaten meist die beste Wahl.
5.3 Grundregeln für die Dimensionierung
- Die Sicherung muss kleiner oder gleich dem maximal zulässigen Kabelstrom sein.
- Der Nennstrom der Sicherung sollte etwas über dem Betriebsstrom liegen.
- Die Leitungslänge beeinflusst indirekt die Auswahl (Spannungsabfall beachten).
- Sicherungen schützen Leitungen, nicht Geräte!
6. Praxisbeispiele für Funk und Haushalt
Beispiel 1: Funkgerät im Auto (12 V DC)
- Stromaufnahme: 8 A
- Leitungslänge: 5 m (Hin + Rück)
- Berechnet: 2,5 mm²
- Sicherung: 10 A
- Ergebnis: stabiler Betrieb, kaum Spannungsabfall (< 0,15 V)
Beispiel 2: Netzteil im Shack
- Strom: 20 A bei 13,8 V
- Leitung: 3 m, Kupfer
- Formel ergibt > 3 mm² → 4 mm² gewählt
- Absicherung: 25 A DC-Sicherung
- Spannungsabfall: < 0,3 V – perfekt für empfindliche Geräte.
Beispiel 3: Werkstatt-Steckdosenkreis (230 V)
- Stromkreis: 16 A
- Leitungslänge: 20 m
- Kabel: 2,5 mm² NYM
- Sicherung: 16 A, Charakteristik B
- Ergebnis: VDE-konform, Spannungsabfall ≈ 2,6 %.
7. Typische Fehlerquellen & Profi-Tipps
❌ Zu kleiner Kabelquerschnitt: Häufigster Fehler bei 12 V-Anwendungen. Schon bei kurzen Strecken kann der Spannungsfall enorm sein.
❌ Falsche Verlegeart ignoriert: Leitungen in Dämmung oder Rohr kühlen schlechter ab.
❌ Falsche Sicherung: 25 A auf 1,5 mm²? → Brandgefahr!
❌ Mehradrige Kabel ohne Reduktion: Häufung mindert die Belastbarkeit bis –30 %.
❌ Nicht beidseitig abgesichert: Bei mobilen Anlagen (KFZ, Funkkoffer) sollte jede Seite abgesichert werden.
💡 Tipp: Nutze Online-Rechner oder Tabellen von DARC, ABB oder LAPP, um Querschnitte sicher zu bestimmen.
💡 Tipp: Lieber 20 % Reserve beim Querschnitt einplanen – weniger Wärme, längere Lebensdauer.
8. Fazit & Handlungsempfehlungen
- Der richtige Kabelquerschnitt entscheidet über Effizienz, Sicherheit und Lebensdauer deiner Installation.
- Grundlage sind die Normen DIN VDE 0298-4 und VDE 0100-520.
- Sicherung und Leitung bilden immer eine Einheit – das schwächste Glied darf nie überlastet werden.
- Spannungsabfall prüfen! Besonders bei Niederspannung kann schon 1 V entscheidend sein.
- Praxisregel: Lieber ein stärkeres Kabel als ein schwächeres – aber niemals andersherum.
- Wenn du unsicher bist: Rücksprache mit einem Elektrofachmann oder DARC-Ortsverband.
Sicherheit beginnt nicht beim Funkgerät – sie beginnt beim Kabel!
9. FAQ
1. Kann ich eine 20 A-Sicherung für 1,5 mm² verwenden?
Nein. 1,5 mm² ist in der Regel nur bis 16 A (bei optimalen Bedingungen) belastbar.
2. Wie viel Spannungsabfall ist zulässig?
Bei 230 V AC → max. 3 %.
Bei 12 V DC → max. 1 % empfohlen.
3. Welche Sicherung nehme ich für 12 V-Funkgeräte?
Abhängig vom Strom: meist 6–10 A Flachsicherung oder DC-Sicherungshalter.
4. Was bedeutet die Kennzeichnung B16 oder C16?
Bzw. C steht für die Auslösecharakteristik. „16“ ist der Nennstrom in Ampère.
5. Was passiert bei zu großem Querschnitt?
Technisch unproblematisch, aber teurer, schwerer und schwieriger zu verarbeiten.
6. Gibt es spezielle Vorschriften für Funkanlagen?
Für stationäre Installationen gilt ebenfalls die VDE-Reihe 0100; bei Fahrzeugen die DIN ISO 6722 (KFZ-Kabel).
7. Wie sichere ich Akkus ab?
Immer nah an der Energiequelle absichern – ideal innerhalb von 10–15 cm Leitungslänge.




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