📡 Wenn alles stillsteht: Wie Osnabrück und Steinfurt Krisenkommunikation denken – und was Funkamateure daraus lernen können
Ein kurzer Schlag. Das Licht flackert – und plötzlich ist alles still. Kein Netz. Kein WLAN. Keine Nachrichten. Menschen treten aus den Häusern, schauen suchend in die Straße, als könnten sie im Dunkeln eine Antwort finden.
In solchen Momenten zeigt sich, wie abhängig wir von einer Infrastruktur geworden sind, die wir täglich nutzen, aber kaum verstehen. Pressesprecher Burkhard Riepenhoff aus dem Landkreis Osnabrück formulierte es eindringlich:
„Es muss damit gerechnet werden, dass das Mobilfunknetz entweder sofort oder spätestens innerhalb weniger Minuten nach Beginn des Stromausfalls nicht mehr funktionsfähig ist.“
Wie also kommunizieren wir, wenn moderne Systeme ausfallen?
Genau diese Frage beantworten zwei Modelle – das des Landkreises Osnabrück und das des Kreises Steinfurt. Beide verfolgen unterschiedliche Wege. Beide zeigen Chancen und Lücken. Und beide sind für uns Funkamateure wertvolle Lehrstücke.
Inhaltsverzeichnis
Was im Blackout wirklich passiert
Ein weit verbreiteter Irrtum lautet: Beim Stromausfall ist nur der Strom weg.
Die Realität ist drastischer. Ohne Energie bricht vor allem die Kommunikation zusammen – und damit die wichtigste Säule moderner Gesellschaften.
Behörden in Osnabrück und Steinfurt sowie das BBK beschreiben ein nahezu identisches Muster:
| Bereich | Typische Auswirkung |
|---|---|
| Internet / WLAN | sofort weg |
| Mobilfunk | nach wenigen Minuten gestört oder tot |
| Notrufe | nur eingeschränkt erreichbar |
| Navigation | funktionslos |
| Kartenzahlung | sofort gestört |
| Warn-Apps | ohne Datenverbindung nutzlos |
Ein Blackout ist deshalb kein technisches Problem – er ist ein Kommunikationsproblem.
Ohne vorbereitete Alternativen entsteht schnell Unsicherheit: Wie erfahre ich Wichtiges? Wie erreiche ich Hilfe?
Der Ansatz des Landkreises Osnabrück
Osnabrück setzt auf ein klassisch behördliches Modell: zentral gesteuert, technisch solide, aber mit wenig Bürgernähe.
BOS-Digitalfunk (TETRA)
Der BOS-Digitalfunk verbindet Feuerwehren, Rettungsdienste und Polizei. Er gilt als sehr ausfallsicher und läuft unabhängig vom Mobilfunknetz.
Stärken:
- verschlüsselte Kommunikation
- bundesweite Infrastruktur
- hohe Zuverlässigkeit
Unklare Punkte:
Informationen zu Notstromlaufzeiten und Redundanz der TETRA-Basisstationen liegen beim Innenministerium Niedersachsen.
➡️ Diese Angaben konnten nicht verifiziert werden.
Eigenes Alarmierungsnetz
Ein robustes Netz für Erstalarmierungen – bewusst einfach gehalten, damit es selbst bei Überlastungen funktioniert.
Satellitenkommunikation
Satellitensysteme ermöglichen Lageberichte und Führungsverbindungen, selbst wenn terrestrische Systeme versagen.
Notfallinformationspunkte (NIP) – ein Konzept im Aufbau
Dieser Punkt ist zentral – und gleichzeitig die größte Lücke:
- keine definierten Standorte
- kein Zeitplan
- kein Testbetrieb
- keine öffentliche Kommunikation
Damit fehlt im Landkreis Osnabrück aktuell ein Bürgerkontaktpunkt, wenn Mobilfunk und Festnetz ausfallen.
Amateurfunk – nicht eingeplant
Der Landkreis Osnabrück hat Amateurfunk geprüft, aber aufgrund wirtschaftlicher Bewertung verworfen.
Damit bleibt eine potenziell leistungsfähige Backup-Struktur ungenutzt.
Blackout – Wenn alles stillsteht: So bleibst du mit Notfunk erreichbar
Der Ansatz des Kreises Steinfurt
Der Kreis Steinfurt verfolgt einen deutlich anderen Ansatz: mehrschichtig, redundant und enger verzahnt mit dem Ehrenamt.
Katastrophenschutz-Leuchttürme
Diese Anlaufstellen sind das sichtbarste Element des Systems. Stand 10/2025:
| Kategorie | Anzahl |
|---|---|
| Leuchttürme gesamt | 53 |
| aktiv | 34 |
| in Vorbereitung | 19 |
Ein Leuchtturm bietet:
- Notstrom
- BOS-Digitalfunk
- teils Richtfunk oder Satellit
- geschultes Personal
- klar definierte Aufgaben
Sie sind Orte, an denen Menschen Hilfe bekommen können – auch ohne Handyempfang.
Redundante Kommunikationsketten
Steinfurt baut bewusste Parallelstrukturen auf:
- Satellitentelefon für Krisenstäbe
- DMR-Richtfunknetz zwischen Kommunen und Kreis
- BOS-Digitalfunk als polizeilich-feuerwehrtechnisches Rückgrat
Regelmäßige Warntag-Tests sichern Funktionsfähigkeit.
Amateurfunk – gelebte Praxis
Ein entscheidender Unterschied zu Osnabrück:
- In Ibbenbüren existiert eine stationäre Amateurfunkanlage auf der Feuerwache
- Notfunkkoffer und portable Antennen stehen bereit
- Lage-Rundrufe sind geplant
- Feuerwehr und Funkamateure arbeiten eng zusammen
Schwachstellen bleiben (rechtliche Unsicherheit, geringer Personalstamm), doch faktisch ist Amateurfunk in Steinfurt ein funktionierender Kommunikationsbaustein.
Vergleich: Zwei Modelle, zwei Philosophien
| Thema | Landkreis Osnabrück | Kreis Steinfurt |
|---|---|---|
| Bürger-Anlaufstellen | NIP in Planung | 34 aktive Leuchttürme |
| Redundanz | BOS + Satellit + Alarmierung | BOS + DMR + Satellit |
| Bürgernähe | gering | sehr hoch |
| Amateurfunk | nicht integriert | informell aktiv |
| Testkommunikation | unklar | regelmäßige Warntag-Tests |
Zusammengefasst:
- Osnabrück setzt auf zentrale, behördliche Kommunikation.
- Steinfurt auf eine mehrschichtige Struktur mit gelebter Bürgernähe.
Beide Systeme funktionieren – aber sie bieten unterschiedliche Chancen für uns Funkamateure.
Die Rolle des Amateurfunks: Potenzial und Grenzen
Amateurfunk ist kein offizielles Notrufsystem. Aber er ist ein unabhängiges Kommunikationsnetz, das mit einfachsten Mitteln betrieben werden kann, selbst wenn moderne Systeme längst ausgefallen sind.
Was Amateurfunk leisten kann
- Reichweiten von mehreren Kilometern auf 2 m / 70 cm
- überregionale Verbindungen über Kurzwelle
- Betrieb mit Akku, Solar oder Aggregat
- flexible Netze ohne Infrastruktur
- Lagebildunterstützung durch Rückmeldungen
Gerade in ländlichen Gebieten kann ein kleiner Funktrupp enorme Wirkung erzielen.
Was Amateurfunk nicht leisten darf
- BOS-Funk ersetzen
- verschlüsselte Inhalte übertragen
- offiziellen Notruf absetzen (ohne behördlichen Auftrag)
- in bestehende Einsatzstrukturen eingreifen
➡️ Amateurfunk ergänzt – er ersetzt nicht.
Was Funkamateure konkret lernen können
1. Redundanz entscheidet
Je mehr Kommunikationswege, desto robuster das Gesamtsystem.
2. Sichtbarkeit schafft Vertrauen
Steinfurt zeigt: Wo Funkamateure präsent sind, werden sie eingebunden.
3. Auch kleine Gruppen wirken
Der OV Ibbenbüren zeigt, wie wenige Funker viel erreichen können.
4. Frühzeitige Kooperation ist entscheidend
Behörden planen uns nur ein, wenn sie unsere Fähigkeiten kennen.
Empfehlungen für Bürgerinnen und Bürger
Offizielle Empfehlungen aus BBK und Kommunen:
- Kurbelradio oder batteriebetriebenes Radio
- Powerbanks, Ladegeräte
- Lichtquellen & Ersatzbatterien
- Wasser- und Lebensmittelvorräte
- Dokumente griffbereit
- Standort der lokalen Anlaufstellen kennen (NIP / Leuchtturm)
Fazit – Krisenkommunikation ist keine Einbahnstraße
Zwei Regionen – zwei Wege. Doch die Grundfrage ist überall dieselbe: Wie bleiben wir erreichbar, wenn alles ausfällt?
- Osnabrück setzt auf stabile behördliche Systeme, muss aber noch bürgernahe Strukturen aufbauen.
- Steinfurt schafft mit Leuchttürmen, Richtfunk und Amateurfunk bereits heute ein dichtes Netz für den Ernstfall.
Für uns Funkamateure ergibt sich ein klarer Auftrag:
Wir müssen sichtbar, verlässlich und kooperationsbereit sein – bevor die Welt still wird.
Denn manchmal ist ein eingeschaltetes Funkgerät mehr wert als jedes digitale Netzwerk.
FAQ – Die wichtigsten Fakten zur Krisenkommunikation
1. Wird Amateurfunk im Landkreis Osnabrück eingesetzt?
Nein.
2. Und im Kreis Steinfurt?
Informell ja, offiziell bisher nicht.
3. Was fällt im Blackout zuerst aus?
Internet sofort, Mobilfunk nach Minuten.
4. Wie finde ich meinen regionalen Anlaufpunkt?
Steinfurt veröffentlicht Standorte; Osnabrück befindet sich in der Planung.
5. Können Funkamateure Notrufe weiterleiten?
Nur im behördlichen Auftrag.




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